Dienstag, 22. Juni 2010

Wage ich es noch ...

Wage ich es wirklich noch von meiner Trauer zu erzählen ??? Oft werde ich mit großen Augen angeschaut, oder merke das "Zusammenzucken",dann wechsle ich das Thema oder muss auf einmal ganz schnell weg.
Ich mag mir nicht sagen lassen das ich mich verbittert anhöre, weil ich nach 5 Jahren immer noch trauere ...
Nein, ich bin nicht verbittert, nur an manchen Tagen bin ich einfach so tieftraurig, dass ich für andere vielleicht wo wirke. Diese Reaktionen tun sehr weh und ich habe dadurch gelernt und lerne immer noch ... dass ich vieles lieber mit mir allein ausmache, um solchen zusätzlichen Verletzungen zu entkommen. Es gibt leider nur ganz ganz wenige, die mir auch heute noch geduldig zuhören oder denen ich mich überhaupt noch öffne ... es sind verdammmt wenige.
Noch nie ist es mir so schwer gefallen, so öffentlich über meine Gefühle zu sprechen oder zu schreiben. Der Blog von Simon bleibt einfach leer ... Ich bin so weit, dass ich meinen Schmerz nicht mehr nach außen trage, auch gar nicht tragen möchte.
Er wandert immer weiter nach Innen, tief ganz tief in mir Verborgen. Es ist nicht so, dass ich nicht über meine Gefühle und Gedanken reden möchte, doch wer will und kann das ertragen ???
Diese innere Wunde ist sehr schmerzhaft ... wie ein Dorn der tief in meiner Seele steckt. Auch meine Tochter meinte heute zu mir das sie die Tage wie Simons Geburtstag, sein Todestag nicht gerne zu Hause ist. Zu Hause was ist das eigentlich noch ???
Immer wieder denke ich an das Beispiel eines Beinamputierten. Niemand würde von diesem Menschen erwarten, dass er wiedertanzt oder Fußball spielt, wie vor dem gewaltsamen Eingriff in sein Leben. Im Gegenteil ... warum erwarten die Menschen das von Trauernden? Sie sind doch nicht mehr "ganz" ... etwas fehlt.

5 Jahre, 5 lange Jahre 1825 Tage, 43800 Stunden ... frage ich mich immer wieder, wie ich diese Zeit ohne Simon überlebt habe. Ohne meine kleinen Sohn, den ich so sehr vermisse ... unmöglich das zu beschreiben
Alles was ich immer wieder tun kann ist offen und mutig zu sein, immer wieder einen Schritt nach vorne zu gehen, auch wenn ich weiß, dass vor einem mal wieder ein tiefes Loch ist, von dem man nicht weiß, wie man es überqueren soll und jedes Loch ist wie ein kleines Sterben. Man weiß nicht, was danach kommt, wie es weitergeht. Wird es besser oder wird es schlechter ?

Nein, ich bin auch in diesem Jahr nicht wieder zu dem Menschen geworden, der ich einmal war, obwohl ich denke, dass es immer noch einige gibt, die darauf warten ... der Freundeskreis wird immer kleiner. Ob ich mich selber gefunden habe, weiß ich nicht.
Die Straße, auf der ich noch vor fünf Jahren unterwegs war, ist gesperrt für mein restliches Leben. Ich folge einem Weg, von dem ich nicht weiß, wohin er mich noch führt, doch ich weiß, dass ich ihn allein gehe ... und langsam ist meine Kraft einfach aufgebraucht.

Aber ich muss das akzeptieren und suche auch meinen alten Weg nicht mehr, weil er nicht mehr zu mir passt. Irgendwann im letzten Jahren, ich glaube Anfang des Jahres, habe ich die Brücke in meine „neue Normalität" gefunden. Meine Frage, wozu dies alles nötig war, wird hier auf Erden immer unbeantwortet bleiben. Ich muss mich immer wieder damit einverstanden erklären, dass mein Leben eine ständige offene Frage bleibt. Es kann aber nicht sein, dass alles Leiden umsonst ist, wenn man sein Kind verliert ...

Verloren ist erst alles, wenn ich mich entscheide, mit Ihm zu sterben ... und auch diese Gedanken sind einfach da ...

Wer wärst Du heute ?
Wenn ich an Dich denke,
dann denke ich Dich so,
wie Du früher warst.
Eine lange Zeit ist vergangen
Und ich frage mich:
Wer bist Du heute ?
Dich im Konjunktiv zu denken,
kommt mir wie ein Verrat meiner Liebe vor.
Wer wärst Du heute ?
Das ist, als seiest Du nicht.
Doch Du bist,
immer stärker,
immer fester,
ein Teil von mir,
den ich nicht vergessen,
nicht aufgeben,
nicht loslassen und vor allem nicht
leugnen will.
Du bist – jeden Tag und jede Minute –
der Teil von mir, der mich, so wie ich heute bin, ausmacht.
Du WÄRST nicht – Du BIST, jeden Tag, ganz nah bei mir.
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(Verfasser unbekannt)