Montag, 26. März 2007

Zeit ohne Simon

Wissen ohne Begreifen -
Fragen ohne Antwort -
Suchen ohne Finden -
Lauschen ohne Hören -
Warten auf Verstehen -

Erinnerung mit Dankbarkeit ? - noch nicht !!!
Erinnerung mit Sehnsucht - immer !!!

Leben ohne Ihn - anders
Leben weiterhin - schwer
Leben - tut weh, jeden Tag !

Sonntag, 18. März 2007

Simon (11)

Amputationen

... ich fühle ich mich wie amputiert

Fehlt mir ein Bein???
Ich kann nicht mehr zu dir gehen. So gerne würde ich dich besuchen,
heimlich in dein Zimmer schleichen und zu sehen was du machst.
Das Zimmer das du so eingerichtet hast wie du es wolltest.
- Nein, kein Besuch mehr. Du gehst nirgendwo mehr hin. Und mich
zieht es immer wieder zum Friedhof. Ich stehe an deinem Grab und
frage mich, was ich hier mache.


Fehlt mir ein Arm???
Ich kann dich nicht mehr umarmen. Warum habe ich das eigentlich
nicht öfter gemacht, als du noch lebtest?
Wie das lezte Mal in der Küche an meinem Geburtstag, wo ich dich
innig umarmt habe und du es zugelassen hast.
Nun bist du tod, und meine Arme können dich nie mehr halten.

Fehlt mir eine Hand???
Ich kann dich nicht mehr berühren, deine Haut, durch deine Haare
wuscheln. Wie am letzten Abend, als ich nachts noch mal in dein
Zimmer um dir einen GUTE-NACHTKUSS auf die Stirn zu drücken.
Wie kalt war deine Stirn, als ich sie zum Abschied ein letzes
Mal küßte, sie streichelte.
Heute lege ich meine Hand auf deinen Grabstein und wenn die
Sonnen ihn beschienen hat ist er wirklich war, dann erscheint
es mir wieder ganz unwirklich das ich mich damit begnügen muß.

Fehlt mir ein Auge???
Ich kann dich nicht mehr sehen. Überall suche ich dich. In jedem
dreizehn jährigen schlacksigen Jungen glaube ich dich wieder zu
erkennen. Wenn ich mit Daniel und Judith einkaufen gehe denke
ich was hättest du jetzt wohltragen wollen. Was hättest du
rigoros abgelehnt zu tragen.
Ich vermisse deinen Widerstand so sehr.

Fehlt mir ein Ohr???
Ich kann dich nicht mehr hören. Nie wieder wirst du um die Ecke
schießen und mich erschrecken wollen und anschließend in volles
Gelächter ausbrechen. Nie wieder werde ich dich weinen hören
weil du dich heftig mit deinen Geschwistern gezankt hast.
Noch habe ich deine Stimme im Ohr. Doch wann ist sie in meiner
Erinnerung verklungen?=

Was ist mit meinen Lippen???
Ich kann nicht mehr zu dir sprechen. So vieles wollte ich dir
noch sagen! So viel Ungeklärtes ist zwischen uns geblieben!
Wir haben keine Chance mehr bekommen. Immer noch rede ich mit
dir, aber du kannst mir keine Antworten mehr geben.
Wann habe ich dir das letzte Mal gesagt das ich dich liebe
meine Kind?

Was ist mit meiner Nase???
Ab und an rieche ich an den Dingen, die mir von dir geblieben
sind. An deinem Schlafanzug ... der Geruch ist flüchtig, bist
du das noch? Wenn ich deinen Sachen in Armen halte habe ich
das Gefühl das du bei mir ist. Aber eigentlich brauche ich das
gar nicht zumachen denn du bist immer bei mir. Tief in meinem
Herzen.

Was ist mit meinem Verstand???
Manchmal kann ich nicht klar denken. Meine Gedanken drehen
sich im Kreis. Sie sind immer noch frei, aber nicht losgelöst
von meiner Tauer. Die Zeiten wo ich denke, das denke ich
weiß nicht mehr weiter und falle immer tiefer, werden langsam
weniger. Doch mein gesunder Menschenverstand hat nun eine
lange Narbe.

Was ist mit meinem Herzen???
Es schmerzt, es schmerzt unendlich. Mir ist als hätte jemand
ein Stück herrausgeschnitten. Das tut weh, so weh.

Und meine Seele???
Sie ist zersplittert, verletzt. Ich habe einen Schicksalschlag
erlitten, aber es war nicht Gott der mir mein Kind nahm.
Nein, es war ein Mensch.
Ein Mensch ... der sich über die Konsequenzen seiner
Tat nicht bewußt wird.
Ein Mensch ... der zu feige ist zu seiner Schuld zu stehen.
Mein Vertrauen in die Menschen hat einen schwerern Schaden
genommen.
Wie soll meine Seele sich jemals erholen ?

Ich fühle mich amputiert. Was mir fehlt, das ist mein Kind.

(c) in Anlehnung an Helene L., Mutter von Monika

Simon

Ein Urteil

Hallo ihr Lieben,

nun sitze ich hier und weiß gar nicht wie ich Anfangen soll. Alles bricht über mich herein oder unter mir zusammen, ich kann es nicht mal genau sagen. Ich verliere den Boden unter den Füßen und den Glauben an den Staat in dem wir leben ... nun müssen ???
Was ist passiert ??? Nun, gestern erreichte mich ein Brief meines Anwaltes. Letzer Stand der Dinge war, das ich mit meinen eingereichten Beschwerden bzw. Widersprüchen in soweit Erfolg gehabt hatte, das von der Staatsanwaltschaft A. ein erweitertes Unfallgutachten angefordert wurde. Meine einzige Intension dabei war ein wenig Gerechtigkeit für Simon zu erlangen. Vielleicht könnt ihr euch noch daran erinnern, Simon lief hinter dem Bus über die Strasse und wurde von einem viel zu schnell fahrenden Auto erfaßt und starb ganz allein noch an der Unfallstelle. Die Polizeiarbeit war schlampig, viele Details wurden gar nicht beachtet und somit war das erstellte erste Gutachten auch nicht sonderlich genau und stützte sich mehr auf Vermutungen als auf Tatsachen.
Nun zu dem heutigen Schreiben ... das Amtsgericht J. hatte befunden das ein weiteres Gutachten nicht notwendig wäre und stützte sich mit der Beurteilung des Falles auf das erste Schreiben der Staatsanwaltschaft, wo dem Unfallfahrer keine Schuld nachzuweisen wäre. Obwohl Paragraph 20 der StVo. steht das auch im Gegenverkehr mit gesonderter Nachsicht an einem haltenden (mit Warnblinker eingeschaltetem) Bus vorbei zu fahren sei. Alles egal ... in dem Schreiben waren wiedermal viele Fehler, falsche Uhrzeit und widersprüchliche Aussagen von Zeugen. Aber all das ist egal ... schließlich sei um diese Uhrzeit nicht mehr mit aussteigenden Schülern zu rechnen gewesen ... Wie bitte wo ist denn bitte der Unterschied zwischen einem Schüler und einem normalen Passanten???
Ich kann nicht mehr, wo leben wir eigentlich ???
Schließlich machte das Amtsgericht auf ihr Pamphlet noch einen rechtsgültigen Stempel drauf und das bereits am 1. Februar. Das Schreiben erreichte mich jedoch erst gestern (13.03.2007) und ich habe bis Montag zeit Beschwerde einzureichen.
Wovon mein Anwalt mir jedoch dringend abrät. Weil ich nämlich im Falle das die Beschwerde abgewiesen wird auch noch die Kosten des Unfallfahrers bezahlen müßte. Was ein Hohn !!!
Nun ihr Lieben, ich bin irgendwie zusammengebrochen, es war ein solche Schlag ins Gesicht das ich den sicheren Stand verloren habe ... mein Artzt wollte mich für eine ganze Woche krankschreiben ... aber das habe ich abgelehnt. Ich werde mir diesen Wochenende ein Auszeit nehmen ... das Leben ist so unfair, aber all dies bringt mir meinen Sonnenschein Simon nicht wieder. Nur der Gedanke das etwas Gerechtigkeit gesiegt hat wäre ein wenig Balsam auf meiner Seele gewesen. Doch letztendlich bekommt man auch von Gericht kein Recht, sondern nur ein Urteil. Wir alle wissen es besser ...

Unendlich traurige fassungslose Grüße
Claudia mit Simon im Herzen

Dienstag, 13. März 2007

504

Und jeder Tag, der vergeht, trennt mich ein Stück mehr von der wundervollen gemeinsamen Zeit mit dir und lässt die Sehnsucht zu dir bis in die Unendlichkeit wachsen. Es schmerzt so sehr, wie viel Zeit ich schon ohne dich hinter mich gebracht habe (504), und das jetzt ein neuer Frühling, erwachendes Leben ins Land kommt ... der Zweite ohne dich, mein Sonnenschein.

Ich lebe in der Vergangenheit und versuche die Gegenwart zu meistern, die Zukunft ist noch sehr wage ...
Es ist ein paradoxes Leben, in das mich dein Tod geworfen hat. Dieses Wissen darum, dass all die Jahre, die noch folgen, ohne dich sein werden, läßt mich den Blick nach vorn verschließen. Deshalb existiere ich im Hier und Jetzt. So zu leben ist das, was ich nun tue, von Tag zu Tag, von Stunde zu Stunde, von Minute zu Minute. Die Zeit fliegt an mir vorbei, rücksichtslos und lässt mich verzweifelt zurück.Die Einsamkeit, obwohl das Leben um mich herum pulsiert und ich meistens gezwungen werde mit diesem Strom zu schwimmen, das ist eigentlich das aller Schlimmste.
Wie soll ich mit dieser Endgültigkeit umgehen, damit fertig werden, wenn das Wörtchen
“nie” eine ganz neue Gewichtung bekommt? Wie ...
Dieses “NIE MEHR” ... unvorstellbar und doch Realität. Jeden Tag wird mir bewusst, dass ich lernen muß, mich mit dieser Endgültigkeit zu arrangieren und jeden Tag merke ich, dass ich oft, vielleicht zu oft an meine Grenzen stoße. Trotz aller Suche, aller Hilfe, aller Worte ... keine Erklärung für das Geschehene finden zu können, lässt mich nicht zur Ruhe kommen. Ich drehe mich oft hilflos im Kreis, bis ich wieder eine Richtung finde.
Manchmal frage ich mich, kann man irgendwann wieder Freude, Leichtigkeit und Sorglosigkeit empfinden? Ja ... ich habe festgestellt das es ab und an, wenn ich Kraft habe alles andere auf Seite zu schieben, dann ist auch wieder etwas Freude möglich. Aber Leichtigkeit, Sorglosigkeit ... das nicht. !!!
Doch nach kurzen Pausen holt mich der Schmerz gleichviel schlimmer wieder ein und ich falle in eins der tiefen Löcher, denen man auf dem Weg den wir nun gehen begegnet ... unserem Jakobsweg.
Ich bin sehr dünnhäutig geworden und damit sehr verletzbar. Es bleibt einfach keine Kraft übrig für Diskussionen, für Rechtfertigungen, für vergebliche Versuche, mich anderen verständlich zu machen. Wenn ich es versuche, spüren ich, wie die
Kraft, die ich gerade mühsam wieder gesammelt habe, verloren geht. Meine Trauer kann ich nicht abarbeiten, bis sie weg ist, meine Trauer um das Verlorene, um Simon gehört nun zu meinem Leben.
Mit dieser Trauer zu leben ist wie mit einer Amputation zu leben: Denn, egal was man tut, egal ob man fröhlich ist oder traurig, man ist und bleibt amputiert. Es ist ein Zustand, der nicht rückgängig zu machen ist, es ist etwas abgetrennt, das nicht nachwachsen kann. Ich spüre noch immer diesen schrecklichen “Phantomschmerz”, nicht so wild wie am Anfang aber immer da, diese brennende Sehnsucht nach Simon, als einen Teil von mir selbst, weggerissen von meiner Seite, herausgerissen aus unserer Familie, fort von dieser Welt.
Nach außen hin wirke ich wohl auf viele Menschen wieder ganz normal und erwecke den Eindruck, mit deinem Tod klar zu kommen.
Sie können ja nicht wissen, um meine Trauer die sich in ständigem Auf und Ab befindet, nur ich weiß, dass das alles andauern
wird bis zu meinem eigenen Tod.
Die Zeit heilt eben keine Wunden, sie läßt sie vernarben und das ist gut so.

Durch deinen Tod bin ich wie in kleine Stücke zerschmettert und seitdem dabei die wichtigsten Scherben aufzusammeln und wieder zusammenzusetzen. Dabei entdecken ich Stücke, die ich nicht mehr brauche. Es gibt Stücke, die unwiederbringlich verloren sind und ich entdecke Stücke, die ich bisher gar nicht wahrgenommen habe. So werden ich als Mensch, der nach dem Zusammensetzen
dieser Scherben entsteht, noch mehr verändert sein. Mit Lücken und Löchern, mit Bruchkanten und Klebestellen, ein zartes Gerüst ... aber ...
mit
der gleichen Seele. Ich brauche alle meine Kraft, um meinen Weg aus diesem Trümmerhaufen herauszufinden. Und diesen Weg gehe ich alleine und vielleicht möchte ich derzeit Hilfe gar nicht zulassen und um mich zu öffen ist der Schmerz einfach zu tief.
Mit der Zeit habe ich erkannt, dass meine Trauer in erster Linie ein einsamer Weg
ist und dass dieser Weg immer wieder
durch mein aller tiefstes Inneres führt und ich dann die Wahl habe, dort in der qualvollen Tiefe zu verharren, selbst
schrittweise zu sterben oder an die Oberfläche zu steigen und mich dem Schicksal wieder ein Stückchen zu stellen.
Dies ist ein beschwerlicher Weg, mein Jakobsweg, zu sterben wäre leichter. Zu Leben aber heißt, sich diesem Schmerz diesem unersetzbaren Verlust zu stellen, sich zu verändern, zu spüren, dass man, wenn man aus diesem Prozess der Trauer hervorgeht, niemals mehr der Mensch wird sein können, der man früher war. Man hat dort unten sein altes Ich zurückgelassen, man ist gereift und hat sich gehäutet.

Seit deinem Tod, Simon habe ich ein neues und intensiveres Bewusstsein entwickelt, was das Leben nicht unbedingt leichter macht, aber mir hilft manches zu verstehen. Dinge, die früher wichtig waren, sind nun bedeutungslos, umgekehrt haben Dinge, die früher nicht so wichtig waren, große Bedeutung bekommen. Mit deinem Tod, mein Sonnenschein, hat eine neue Zeitrechnung begonnen.

Dieses “WARUM” steht immer noch unbeantwortet im Raum und dort wird es wohl immer stehen, solange wir leben. Schuldgefühle rauben mir oft den Verstand, alles ist so nah, als wäre es gestern gewesen.

Ich hoffe sehr, dass es mit den Jahren etwas leichter sein wird, DIESES Leben zu leben ... das ich SO nie gewollt habe und das ich nun annehmen muss.

Habt Vertrauen das ich dies schaffe.
Gebt mir die Zeit die ich brauche ...

(c) in Anlehnung an Worte von Marion A., Mutter von Jessica

Montag, 5. März 2007

Frage ... Stellungen

Hallo an alle dir mir noch zuhören,

heute schreibe ich mal wieder etwas persönlicher, denn ich befinde mich mal wieder in einem der tiefen Löcher in die man eben von Zeit zu Zeit so reinstrauchelt.
Ich fühle mich sehr niedergeschlagen, unendlich traurig, könnte pausenlos weinen und habe das Gefühl das ich in zwei Welten gefangen bin, in denen ich nur funktioniere.
Jeder Tag beginnt gleich ...

6 Uhr, Wach - Gedanken bei Simon
Waschen, Anziehen, Kinder wecken, Aufräumen, Brote schmieren ...
Mit dem Auto nach Aachen (40km), arbeiten - Gedanken bei Simon
Arbeiten, alles Verdrängen, FUNKTIONIEREN, mitlachen - 8 Std. lang, manchmal endlos
Mit dem Auto nach Hause - Gedanken bei Simon, manchmal weinend
Kinder, Hausaufgaben, Einkaufen, Putzen, Kochen, Wäsche, Bügeln, an alles denken, bedenken - es wieder nicht zum Friedhof zu Simon geschafft - FUNKTIONIEREN
21 Uhr, Feierabend - Sofa, 10 min später Traumloser Schlaf - Koma

Wo bleibe ich? Wo meine Trauer um Simon? Wo die Dinge die ich tun sollte damit der inner Schrei in mir verklingt?

Heute hat eine Kollegin bemerkt "Du trägst ja ein blaue Hose" ... das hat mich erschreckt, wie lange trage ich denn schon Schwarz??? Zu lange? Oder doch gerade eben erst?
Bin ich zu feige den nächsten Schritt zu gehen??? Will ich das?

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Manchmal,
bin ich Gefangener meiner Tränen
eingesperrt im Seelenkerker
kein entkommen

Manchmal,
bin ich Gefangener der Spinnen
festgehalten im Seidennetz
kein entkommen

Manchmal
bin ich Gefangener meines Herzens
tief versunken im Schmerz
kein entkommen

Manchmal
spreche ich mich schuldig
auf der Suche nach Antworten
und verliere an Wertgefühl

und manchmal dann,
bin ich nicht


Liebe traurige Grüße
Claudia mit Simon immer dabei